Nichts für Warmduscher – oder doch?

Beim 24 Stundenschwimmen in Stuttgart holte sich Stefan Spägele mit dem „Warmduscher-Team“ nach 324 Kilometern den 1. Platz

 

Die Neugier auf ein 24 Stundenschwimmen führte Stefan Spägele nach Stuttgart. Unser Weihnachtsschwimmen war seine wichtigste Vorbereitung gewesen. Also auf nach Stuttgart, rein in das Freibad, das von einer Traglufthalle umschlossen war und eine angenehme Wärme ausstrahlte. Dann noch das Anmeldeformular ausgefüllt und sechs Euro bezahlt. Damit seine erschwommenen Kilometer nicht verpufften, hatte Stefan sich, wie auch sein Schwimmkollege Max Stapelberg, über das Team „Warmduscher“ angemeldet. Doch von Max war weit und breit nichts zu sehen. Deshalb erst einmal einen Lagerplatz ausgesucht, Isomatte und Schlafsack platziert.

Wo nur Max blieb? Wenigstens entdeckte Stefan eine Gruppe mit T-Shirt Aufdruck „Warmduscher“ und traf zum Glück gleich auf Sven, den Organisator des Teams. Dessen wichtigsten Tipps: Wenn Rötungen entstehen, diese rechtzeitig mit Fett eincremen – und langsam beginnen und die Schnelleren ziehen lassen. Lieber mal hinter den langsameren Schwimmern bleiben. Was Stefan wunderte: man durfte auch im Neopren oder mit Paddels schwimmen.

Von Max immer noch keine Spur. Dabei war um 15 Uhr Start. Acht 50m-Bahnen standen bereit, die mittleren für die Schnellen, die Äußeren für die Langsamen und die Brustschwimmer.

Max war immer noch nicht da. Stefan wollte aber nicht mehr länger warten und ging auf Bahn 6, weil er seinen Ausdauerstil als nicht so schnell einschätzte.  Eine Schwimmkarte hatte er bekommen, auf der der Zähler, welcher am Ende der Bahn saß, jeweils bei der Wende 100 Meter ankreuzte. Es ging los, prompt hatte Stefan Wasser in der Brille und bekam sie die ersten zwei Kilometer einfach nicht dicht. Dann klappte es und der ruhige Schwimmstil strengte ihn nicht wirklich an. Schön den Dreierzug im Kraul machen, da das einseitige Atmen dem Halsmuskel nicht lange gut tat. Brust durfte er nicht schwimmen, das hatte seine Physiotherapeutin nach seiner Meniskusoperation gefordert. Nach fast 3 Stunden merkte Stefan, dass die Atmung schwerer wurde. Die Kohlehydrate waren aufgebraucht und die Fettverbrennung begann, das wusste er von seinen Marathons. Kurz vor 18 Uhr sagten ihm die Kontrolleure, dass er schon 7,9 Kilometern hinter sich hatte. Die restlichen 100m auf die vollen 8km mussten dann doch noch sein. Danach raus aus dem Wasser, die Distanz auf der Schwimmkarten bestätigen lassen, abtrocknen, umziehen und eine Kleinigkeit essen.

Sven lobte Stefans Schwimmrunde als „tollen Einstieg“. Er selbst hatte 6 Kilometer gemacht. Und: Max war doch noch gekommen und schwamm auf Bahn 3, Stefan erkannte ihn an dessen eigenen gelben Badekappe mit der aufgedruckten 1.

20 Uhr. Stefan wählte jetzt Bahn 5, die schnellere Bahn. Doch das bereute er bald. Immer wieder wurde er von hinten auf die Füße geschlagen und überholt. 2,5 Kilometer hielt er durch, dann war ihm der Spaß im „Haifischbecken“ vergangen und er stieg etwas demotiviert aus dem Wasser.

Nahrungsaufnahme. Sein Trainer Dieter Seitz hatte aus Erfahrung süße Stückchen vom Bäcker empfohlen, dazu stilles Wasser. Beim Plausch mit anderen Schwimmern wurden die unterschiedlichen Strategien deutlich: manche gehen sogar abends heim und kommen morgens nach dem Frühstück wieder.

Kurz nach 22 Uhr: Seine orange Bademütze mit der Nummer 34 begleitet Stefan die ersten acht Kilometer. Auf Bahn 6 ist jetzt deutlich weniger los und das Tempo passt. Um Mitternacht verlässt er nach insgesamt 9 Stunden und 15 Kilometern das Becken, die erste Karte ist voll. Nach seiner letzten Bahn wird mit einem Stempel der Abbruch dokumentiert. Das garantiert eine faire Veranstaltung und keiner kann nach der letzten Schwimmrunde seine Leistung mit ein paar Kreuzchen erhöhen. Jetzt nur noch umziehen, essen und schlafen, doch o` Schreck: Stefan hatte knallrote Augen. Vermutlich eine Reizung durch das Chlor, das durch die am Anfang undichte Brille gedrungen war.

3 Uhr. Der Wecker klingelt. Stefan hat schlecht geschlafen, ist schlapp, kommt nicht hoch, die Augenlider sind schwer. Dabei ist das Becken fast leer, höchstens 3-4 Schwimmer je Bahn.

4 Uhr. Stefan kann sich endlich aufraffen, fängt mit einer neuen Karte an, schwimmt 3,7 Kilometer, legt sich auf den Schlafsack und wacht erst gegen 9 Uhr wieder auf. Er fühlt sich nun frischer, merkt aber in den Schultern ein unangenehmes Ziehen, das sich seit Mitternacht verstärkt hat. Sein Ziel bleibt aber auf jeden Fall die Halbmarathonstrecke, die er schließlich um 600 Meter überbietet. Glücklich zieht er sich um und spendiert sich am Verkaufsstand einen Kaffee und ein Stück Quarkkuchen. Eiweißzufuhr.
Sven legte mir nahe, für die Mannschaft doch noch etwas an Strecke zu machen. 24 Kilometer müssten im Gesamten drin sein. Er war nun bei 20 und wollte auch noch das Ergebnis verbessern. Da er sich für die 2. Mannschaft eingetragen hatte, sollte Stefan ihn doch toppen oder gleich viel im Endergebnis beitragen.

Das macht gleich schlechtes Gewissen. Also stieg Stefan um 11 Uhr in seine geliebte Bahn 6, auf der schon eine Menge los war. Da waren Jungs, die überholten den noch „trägen“ Schwimmer Stefan als würde er im Wasser stehen. Doch nach dem Bahnsprint standen sie am Rand und so war er wieder vorn. Das wiederholte sich mehrmals. Manchmal erst nach mehreren Runden. Doch dann hatten sie sich verausgabt und wurden nicht mehr gesehen. Inzwischen waren verstärkt Brustschwimmer unterwegs, die aber Stefan nicht aufhalten sollten. Bei einem Überholvorgang kam es zu einem Zusammenstoß mit einer ebenfalls von der Gegenrichtung Überholdenden. Zum Glück war es nur ein heftiger Schlag und beide konnten ohne Blessuren weiterschwimmen. Kurz vor 13 Uhr holte Stefan seine Karte ab, jetzt waren 4,3 Kilometer mehr drauf.

Umziehen und essen war nun schon Routine. Doch jetzt packte er noch seine Wunderwaffe aus: Cola! Mit irre viel Zucker und Coffein musste die Regeneration schneller vor sich gehen. Dazu noch Buttercroissant und Kekse, denn Stefan wollte der Aufmunterung seiner Tochter Katrin gerecht werden. Um 10:30 Uhr hatte sie gesimst, dass rein rechnerisch 30 Kilometer noch drin wären. Zu dieser Zeit stand er bei 21,7 Kilometern. Diese Theoretiker, was heißt hier „rein rechnerisch“! Nach kaum einer viertel Stunde Pause ging Stefan wieder ins Wasser. Die „Zählerin“ erkannte ihn gleich wieder und fragte, ob er die 30 Kilometer komplett machen wolle. Das Schwimmen wurde nun immer schwerer. Stefan ließ sich nach fast drei Kilometern von einer Schwimmerin einen Kilometer lang mitziehen. Dann hielt er am Beckenrand an und erfuhr, dass noch 300 Meter fehlten. Er machte sich auf den Weg und zählte angestrengt mit. Nach 300 Metern hatte er noch Zeit und wollte den Wunsch von Katrin erfüllen, wenigstens eine „schöne Zahl“ zu schwimmen, wenn nicht 30km hinzubekommen wären. So visierte er nochmal 300 Meter mehr an. Noch wenige Minuten bis 15 Uhr. 30,3 Kilometer waren geschafft! Seine 3. Karte hatte er zumindest begonnen.

Nach dem Umziehen, Cola und Butterkeksen wurde bis 15 Uhr über die Lautsprecher herunter gezählt. Als die Schwimmerin vorbeikam, hinter der er sich doch eine gute Strecke hatte ziehen lassen, bedankte er sich bei ihr. Sie erreichte 500 Metern mehr als Stefan und kam auf das gleiche Endergebnis wie im Vorjahr. Bei den Frauen gewann sie im Gesamten den 3. Platz. Stefan ging nun zum Pulk der „Warmduscher“ und verkündete sein Schwimmergebnis. Als Sven hatte noch auf 22km erhöht. Bei der Siegerehrung erfuhr Stefan, dass Max 50,5 Kilometer geschafft hatte und nur um lächerliche 500 Meter auf den 2. Platz verdrängt worden war. Mit der Mannschaft schaffte Stefan den 1. Platz mit erschwommenen 324 Kilometer. Team 2 kam gleich nach uns auf das Siegertreppchen.

Zufrieden und schlapp machte sich Stefan auf den Heimweg. Er war stolz auf das Ergebnis, weniger stolz auf seine „Souvenirs“: rote Augen und ziemlich ziehende Schultern. Als er seiner Physiotherapeutin von seiner Leistung erzählte, fragte sie nach seinem Schwimmstil. Stefan antwortete „Kraul“, da sie „Brust“ ja verboten hatte. Da meinte sie lapidar, dass das Verbot nur für die Zeit unmittelbar nach seiner Meniskusoperation auferlegt worden war. Sie hatte es leider nur etwas spät aufgehoben. Wenigstens etwas Erfreuliches hatte diese Info: Stefan darf wieder Brustschwimmen. Mit seinem 10. Platz als Neuling hatte er auch noch eine tolle Leistung hingelegt, wie er drei Tage später im Internet feststellen konnte.