Über die Leidensfähigkeit des Erich Gruber
Wie ein virtueller Duathlon zum Lehrstück über Menschen wird, die im Breitensport Verantwortung tragen
Von Hans Gusbeth (Fotos & Text)
Samstag, 20. März 2021, 10 Uhr, am Auwald-Stadion Lauingen, eisiger Wind aus Nordwest, ein Grad Außentemperatur. Erich Gruber steht auf der Alu-Leiter, die er von zuhause mitgebracht hat und bindet das analoge Startbanner für den virtuellen Duathlon fest. Allein auf weiter Flur weiß er, dass an diesem trüben Frühlingsanfang niemand kommen wird – fast niemand. Der Chef der Lauinger Triathleten schaut auf die Uhr, deutet erleichtert rüber zur Landstraße: „Da hinten kommt Harald Winter auf dem Rennrad“, später braust Bernhard Seitz auf seinem neuesten, mit Radar ausgerüsteten Rad-Boliden heran. Daniela Unger und Sohn Sem aus Gundelfingen sind schon da. Das kleine Fähnlein der aufrechten Triathleten hat Gruber extra „dienstverpflichtet“. Denn ein Fotograf der Zeitung kommt, für ein „Symbolfoto“ mit den Sportlern unter dem Banner des Sponsors.
Doch viel symbolträchtiger als das offizielle „Symbolfoto“ ist ein Moment, noch bevor der Fotograf von der Zeitung erscheint. Es ist der Augenblick als Gruber mutterseelenallein auf der Leiter steht, ins Donautal blickt und hofft, dass er nicht allein gelassen wird. Denn allein ist er oft, wie so viele Verantwortliche, Trainer, Jugendleiter in den Sportvereinen in einer Corona-Zeit, in der sich eine Art Lähmung wie Mehltau über das Land gelegt hat. Keine gemeinsamen Übungsstunden, keine Trainings, keine öffentlichen Veranstaltungen, kein Zusammensein. Vom herkömmlichen Vereins-leben ist in diesen Tagen nicht viel zu spüren. Vieles ist nur noch virtuell, ein digitales zweites Leben entstand. Doch es gibt auch Vorteile. Statt vollständiger Lähmung förderte der erzwungene Rückzug in die eigenen vier Wände neue Ideen zutage. Einfallsreiche Sportvereine, Sportschulen, Fitness-Studios bieten Gymnastik an, sogar Taekwondo-Training, virtuell, per streaming, auf Youtube. Der TV Lauingen lud im Januar zum ersten virtuellen Dreikönigslauf. Erich Gruber ließ jetzt den ersten virtuellen Duathlon folgen. Der Bedarf ist da, der Andrang groß. Hunderte aus ganz Schwaben und darüber hinaus machten bei diesen Veranstaltungen mit. Beim Duathlon, den Gruber wetterbedingt bis Sonntag verlängerte, steigen die Teilnehmerzahlen weiter. Bald sind es 300, man kann sich immer noch anmelden. Das nennt man Flexibilität. Am Montagvormittag werden die Ergebnisse auf der Homepage der TVL-Triathleten stehen.
Als Erich Gruber am Samstag das Startbanner am Stadion abbaut, ist er schon wieder allein. Die Triathleten sind weg, der Fotograf ist weg und Gruber denkt an Inzidenzwerte, lock- und shutdowns und vor allem an das mögliche Verbot für Sportveranstaltungen wie den Triathlon am 13. Juni. Seinen Triathlon, den er sich virtuell „überhaupt nicht vorstellen“ kann. Ihn musste er schon vergangenes Jahr wegen Corona ganz absagen. Noch einmal annullieren, daran mag er gar nicht denken. Dass Triathleten leiden müssen ist eine Binse. Doch die aktuellen Entwicklungen lassen nichts Gutes ahnen. Die Leiden des Erich Gruber und vieler Verantwortlicher, Macher, Trainer, Jugendleiter in den Sportvereinen im Landkreis und anderswo werden weitergehen solange der Virus uns im Griff hat.